Martin Bick kam am 9. Juli 1892 in Berlin zur Welt. Seine Eltern betrieben ein Möbelgeschäft am Zionskirchplatz Nr. 1 in Berlin-Mitte. Martin hatte noch zwei Brüder namens Siegfried und Willy. Nach Abschluss der Schule erlernte Martin Bick arbeitete als Möbelhändler. Er heiratete die gelernte Stenotypistin Erna Alma Hildegard Scherf, die 1890 in Berlin geboren war. Das Paar bekam zwei Kinder. Die ältere Tochter Liane wurde am 2. März 1926 geboren und im Jahr darauf, am 16. November 1927, kam die jüngere Tochter Norma zur Welt. Die Familie lebte zunächst in einer Wohnung im Weinbergsweg 14 im Prenzlauer Berg. Von dort zogen sie zwischen 1931 und 1932 in eine 2-Zimmer-Wohnung am Zionskirchplatz 15 (heute: Zionskirchstraße 32), in die Nähe der Eltern von Martin Bick. Dieser hatte inzwischen ein eigenes Möbelgeschäft in der Fehrbelliner Straße eröffnet. Ab 1934 arbeitete er freiberuflich als Auktionator, was ihm einen höheren Verdienst einbrachte. Doch nur zwei Jahre später wurde ihm aufgrund der nationalsozialistischen Gesetzgebung die Genehmigung dafür entzogen. Die Familie von Martin Bick war jüdisch, seine Ehefrau Hildegard Bick stammte aus einer protestantischen Familie und galt nach den Nürnberger Rassegesetzen als „arisch“. Nachdem Martin Bick nicht mehr als Auktionator tätig sein konnte, übernahm er das Geschäft seiner Eltern, die sich zur Ruhe setzten. Dort verkaufte er neue und gebrauchte Möbelstücke. Doch auch diese Arbeit konnte er nicht lange ausführen. Bei den antisemitischen Pogromen im November 1938 wurde der Laden verwüstet. Die Angreifer schlugen die vier Schaufenster kaputt, warfen die Möbel auf die Straße und zerstörten sie. Ein früherer Nachbar erinnert sich, wie Martin Bick versuchte, den Schaden zu beheben und die Ladenfenster zu erneuern. Doch schon kurz darauf wurde die Ladenfront erneut mit judenfeindlichen Parolen beschmiert. Ende 1938 musste Martin Bick das Geschäft schließlich aufgeben. Danach wurde er zur Zwangsarbeit bei einer Firma in Berlin-Treptow verpflichtet.
Auch den Töchtern Liane und Norma war es nicht erlaubt, die Schule zu beenden. Liane Bick besuchte zunächst noch die Jüdische Handelsschule in der Joachimsthaler Straße. Diese musste aber 1941 schließen, sodass die damals 15-jährige Liane ihre Ausbildung nicht mehr beenden konnte. Noch im selben Jahr, am 28. Mai 1941, starb die Mutter Hildegard Bick, und Martin Bick kümmerte sich alleine um die beiden minderjährigen Töchter.
Am 24. Oktober 1942 verhaftete die Gestapo erst Martin Bick und kurz darauf auch seine beiden Töchter in der Wohnung. Martin Bick kam am 14. Dezember 1942 mit dem „25. Osttransport“ in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Von dort kehrte er nicht mehr zurück. Sein Todestag wurde später auf den 8. Mai 1945 datiert. Die Töchter Liane und Norma Bick wurden in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Von dort kamen sie am 16. Oktober 1944 auf einen Transport nach Auschwitz. Es gelang den Schwestern zusammenzubleiben. Im Zuge der Auflösung des Lagers Auschwitz wurden sie mit einem Räumungstransport in das Konzentrationslager Bergen-Belsen gebracht, wo sie im April 1945 von den Alliierten befreit wurden. Sie gingen nach dem Krieg zunächst nach Schweden.
Janna Lölke, Quelle
Gedichte von Irina Bondas
Das Gedicht „so beginnt es“ erschien im Jahrbuch der Lyrik 2022 bei Schöffling
i
so beginnt es
hör kein grashalm wächst so niedrig und tiefer als wasser
zum großen wurf strecke die hand
reich bis in den frost
deine finger x tote fische
steh auf und wandle
sprach deine mutter zu ihrem kind
erstickt an der eigenen zunge
steckt es dir noch in den knochen
halte die luft an
du wirst sie brauchen
gegen richtung
bist du allein nicht gewachsen.
Aus UNMOTIVE
nach Alena Kisch
Und du gehst wieder Löwen sammeln von Dorf zu Dorf.
Deine Nachbarn, unbeholfene Gehöfte, erstarren zu Rauchsäulen wie die Tage.
Sie klagen dir von der Einsamkeit der Sirenen. Wie machtlos sie seien, ein falscher Ton und das war’s.
Flaschenaufzucht ist gut für die Menschen, die Mutter vergisst ihren Mut. Bei den Löwen. Natürlich
blüht kein sattes Grün, deine Zehen hält nur der Morast.
Kontrast fehlt dem Wurzelgemüse.
Selbst Stickerei bleibt kein Umweg. die Farben lösen sich ab gleich Wachen.
Als würde Stoff nicht zerfallen, kommt ständig wer mit der Schere.
Glaubt, Narbengewebe hält dicht.
Jedes Mal fällt der Bach aufs Neue aus allen Wolken. Im Schilf paaren sich seltene Vögel zur Parodie.
Deine Teppiche wesen in Kellern, sich selbst Paradies.
Deine ersonnene Stadt ist ein Vogeldorf.
Angriffe aus der Luft nichts weiter als Suche nach lebenden Stimmen.
Deine ersonnene Stadt ist eine obskure Kammer. Ein Ausgang unerreichbar wie ein Altar.
Zu Wasser wird Insel, zur Dattelpalme dein unmöglicher Hort,
Landungsbrücken die Blätter, sie fallen, die Nacken im Kopf.
Folgen werden dem Feld überlassen.
nach Niko Pirosmani
Im überführten Altbau warten sie schon auf dich,
deine armen Großcousinen.
Am Küchentisch selbstredend, als wär’s die letzte Adresse,
schlingen aus Glasnestern, verlangen klebrige Restsüße,
den Kummerkelch klandestiner Gelage, die Tellerränder erhoben,
Konstellation als sich ständig Bewegendes
starr in die Köpfe gezogen fehlen sie sich wie Felsen.
So viele Stimmen Berge gebären, so oft werden sie auch gegossen
in moussierte Motive, Musenpassion, zählen Millionen, drunter kein Grundton,
Brüche wie Luft, desolate Gefäße grausamer Gönner.
Die Hypotaxe im Bauchspeicher als Hypothek,
deine Tier- und Berufswelt aus derselben Familie wie ihre Gäste,
ausgestopft mit ungeahnter Naivität,
jetzt hängen sie an ihren Weinstöcken, schwülstige Trauerbärte,
blasse Aushängeschilder eines heillosen Auftrags.
Wird alles nicht mehr, klagen sie, nicht eine Romanze im Herzen, bloß schwarze Balken
da, wo die Leute sonst ihre Zähne haben, nur Kiefern
fern familiärer Größe und die Zunge schmeckt fremd,
deine Gewürzel, die Füße in Presswasser, du wirst vergessen,
wie es nicht ums Bilden ging, sondern ums Bild,
wie ihre Stimmen, vergossen, nicht schweigen, nein, lauern nur zwischen den Zeilen.
was weißt du schon von unserem gott nächtens krümmt er die wälder fackelt wie ein eifersüchtiger schlosser sticht in die wolkenlungen streichelt über die kronen walzt maßlose zärtlichkeit aus den ähren unser gott glaubt nicht an uns klammer brachen notreife brut wir kauen das holz der hoffnung das die sonne aufgibt ist unser stall unsre dankbarkeit seine krallen nägel aus stahl einen fürs kreuz einen fürn freund frauen wie fässer fünf kilo auf dem revers stolz kupferklimpernder kitt darunter magengruben was verstehst du von süßer schuld besessener mantel am gaumen in wolkenstrahlen gesammelt starrer appell dein zahnfleisch taugt nicht für märsche dein bett eine ampulle aus empathie suchst noch den regen ab nach enttäuschung fragst wie ertrage ich euch unser gott ist ein rächer unser gott ist ein rächen unser gott ist ein rechner jeder tropfen ein auge.
sicher hast du ein ja versteckt kein Ort hinter versprochen an Bahnhöfe aus Bergen besorgter Bagage, geschwungene Pässe warten Schlagbäume unserer Konvention auf Butterfahrt Richtung drei Ritterstein verstehen wir uns die Beine zaungästen Besitz zäumen rautenerstarrt die Fügung als wäre Hörensagen ein Haus, von der Brise im Nasenloch über Zeitungsbrände im Nachlass krummentwartete Kostgänger, Stummmacher, Strickdreher aus Wendungen grundloser Brunnen, armezerbrechend mundschäumig, Stehaufkinder, zeugen, was andere vor uns leugnen, erklären verlustig die irren Einwege entstellender Leiter. flüchtige Plattformen auf belegten Scheiben Teppiche rollen über die Gänge, in starren Hühneraugen der Schneesturm mal am Zeigefinger gezuckerter Bernstein, mal geschälter Durst im Handuntersatz, kostet nicht mehr, nicht weniger als Betrug. hinausgekommen über die Erblist, über Leber und Nierensteine, bleigestifteter Bücherdruck freundscher Versprechen, schwer auf der Zunge, wendet sich kaum, aber dennoch. erworben. Guckt doch, alles erworben, was bei drei, auf den Bäumen, ein Fall. derzeit ins Auge kuckuckten uns, strenge Früchte, bittere Krux, flugs eingeprägt, die Beugung der Verben, Stellung, Geschlecht, im Dunkeln erspürt, im Schlaf noch hielten wir fest. Blasse Spuren, gesichert in Kondensat. fragt sich: wer bist du nochmal? k. A. nicht mit ja entgegenzukommen. der/die Fingernachhut sei uns erlassen.
Irina Bondas im Gespräch mit Achim Wagner