Berlin, den 31.08.2022
„Stolperworte“ im Schlaglicht des Ukraine-Krieges
Schon jetzt lässt die Aufmerksamkeit für den Krieg und seine Opfer in der Ukraine nach – nur sechs Monate nach der vollumfänglichen Invasion Russlands. Der mediale Fokus hat sich auf die Inflation oder steigende Gaspreise verschoben. Das wachsende Leid der ukrainischen Bevölkerung scheint die Erinnerung nicht lebendig halten zu können, es führt vielmehr zu einer Art Kriegsmüdigkeit.
Die Lesungsreihe Stolperworte wurde im vergangenen Jahr initiiert, um dem Vergessen etwas entgegenzusetzen. In Lesungen erschließen sich Autor:innen literarisch Stolpersteine in Berlin und suchen so ihren persönlichen Zugang zur NS-Vergangenheit und den Opfern unserer Zeit. „Das Erinnern soll ja immer weitergehen“, schrieb der Tagesspiegel zu Beginn des Projekts. So folgen ab September erneut acht Lesungen, in deren Fokus die Frage nach der Bedeutung der NS-Erinnerung heute steht – und danach, wie diese Erinnerung im Schlaglicht eines Krieges erscheint, der schon jetzt in die Vergessenheit abzurutschen droht.
Lässt sich die Vergangenheit in die Gegenwart holen, indem man sie miteinander in Verbindung setzt? Wie beeinflusst der russische Angriffskrieg den Blick auf die NS-Verbrechen von damals? Verändert die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit die Perspektive auf die Verbrechen in der Ukraine? Und wie kann man sich den Gräueltaten in Gegenwart und Vergangenheit mit Sprache nähern?
Diesen Fragen widmen sich
Yevgeniy Breyger ist ein deutsch-ukrainischer Dichter und Gastprofessor für Literarisches Schreiben & Übersetzen an der Universität Hildesheim und an der Ruhr-Universität Bochum. Er gewann u.a. den Leonce-und-Lena-Preis der Stadt Darmstadt (2019) und den Münchner Lyrikpreis (2021). Am 05.09. um 19.00 Uhr wird Breyger ein Langpoem lesen, in dem seine und die Erfahrungen seiner Familie mit Russlands Krieg beschreibt und dabei in der Familienerinnerung bis nach Babyn Jar zurückgeht. Die Lesung findet in der Schwedter Straße 22 an den Stolpersteinen von Ignatz Jacob, Netty und Sigfried Isak statt.
Daryna Gladun ist eine ukrainische Schriftstellerin, Übersetzerin, Performance-Künstlerin und Forscherin aus Bucha. Derzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Potsdam. Sie hat zwei Gedichtbände in ukrainischer Sprache verfasst und veröffentlicht. Am 08.09. um 19.00 Uhr wird sie aus ihrem dritten Band ‚Radio Wojna‘ lesen, der während des russischen Angriffskrieges entstanden ist. Gelesen wird in der Thomasiusstraße 14 (Moabit) u.a. am Stolperstein von Rosa Kaufman, die selbst aus Kolomyya in der Ukraine kam.
sowie Marianna Kijanowska (15.09.), Irina Bondas (tba), Dimitrij Kapitelmann (04.10.), Marina Frenk (tba) und Marko Martin (25.10.) in Lesungen und Gesprächen, die im Anschluss auch als kurze Filme online zu sehen sind.
Das Projekt Stolperworte wird gefördert von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa.